Sonntag, 3. Januar 2016

Bekannte Unbekannte - ein Essay



Schon Paul Watzlawick stellt mit seinen Axiomen die These auf, dass man nicht nicht kommunizieren kann, denn wo zwei Menschen sich zusammenfinden, dort herrscht Kommunikation, selbst wenn es nur im Zeigen von Verhaltensweisen und nicht im Austausch von Worten deutlich wird. Also macht erst die komplette Isolation die Kommunikation unnötig. In allen anderen Fällen ist Kommunikation in unserem Alltag elementar, denn sie ist das Werkzeug, um uns mit unserer Umgebung auseinanderzusetzen. So erfinden wir Bezeichnungen für Gegenstände und Zustände, um uns auf dieser Basis mit anderen Personen darüber zu verständigen. Ohne diese gemeinsame Grundlage verläuft Kommunikation auf jeden Fall gestört. 

Kommunikation befindet sich generell in einem stetigen Wandel. Heutzutage ist sie vor allem durch neue Wege und Mittel zur Kommunikationsausübung, sowie einem generellen Wandel in der Gesellschaft geprägt. Wir sind die digitale Generation, aufgewachsen mit Handys, Gameboys und Computern. Und es vermittelt uns ein gutes Gefühl, denn auch wenn wir unseren Nachbarn nach zwei Jahren immer noch nicht kennen, so ist es doch ein überlegenes Gefühl gegenüber unseren Eltern, so mobil zu sein, so erreichbar und gleichzeitig doch gar nichts zu erreichen.

Wir sind offene Bücher, die ihre täglichen Erlebnisse gut sichtbar für alle in Tagebuchform auf Facebook und Co. veröffentlichen, weil wir in dieser schnelllebigen Gesellschaft einfach keine Zeit und Lust mehr haben, uns zu wiederholen, wenn wir unseren Freunden von unserem Tag erzählen. Mutti kann doch alles auf Facebook nachlesen, da gibt es sogar ein Video, damit sie das Gefühl haben kann, live an meinem Leben teilzuhaben. So ist es doch auch viel bequemer.

Und es war doch noch nie so einfach einen Partner zu finden wie heute. Ich zappe einfach durch die Profile der anderen, lese mir ihre Hobbys, Ängste und Träume durch und weiß gleich, ob diese Person der Traummann fürs Leben ist oder nicht. Auch wenn ich jemand Interessantes auf einer Veranstaltung treffe, so ist es doch ein Leichtes seinen Namen herauszufinden. Und sein Profil macht ein erstes Date doch unnötig, denn was muss ich denn noch über ihn wissen? 

Ist man heutzutage nicht eher geübt darin, Freunden vorzuspielen, dass man von dem, was sie erzählen, zum ersten Mal hört? Bin ich nicht eher damit beschäftigt, zu interpretieren, was der Smiley in einer Nachricht bedeutet, anstatt in einem Gesicht zu lesen? Ist nicht auch die digitale Welt ein unwillkommener Ort für Sarkasmus und Zynismus, den niemand mehr ohne einen Smiley versteht? Kann ich sagen, dass mich jemand, mit dem ich seit zwei Jahren schreibe, der aber noch nie mein Gesicht gesehen oder mein Lachen gehört hat, mich wirklich kennt?

Wir passen uns also der Schnelllebigkeit von Technik und Gesellschaft an und erhalten dafür zum Dank die genaue Anzahl unserer Freunde, von denen wir mit der Hälfte von ihnen noch nie geredet haben und nur zu etwa achtzig Prozent vielleicht eine dauerhafte Freundschaft führen. Wir können also durch diese Liste bekannter Unbekannter scrollen und uns ihrer Vielzahl erfreuen. Gleichzeitig können wir auch unsere Freundschaft schnell und per Knopfdruck wieder lösen, wenn uns die Meinung dieses Freundes nicht passt ohne auch nur seine Beweggründe genauer zu kennen. Diskussionen werden öffentlich an der Pinnwand diskutiert. So kann zwar jeder ausreden, aber trotzdem hat man keine Lust, sich die 56 neuen Kommentare durchzulesen. Aber immerhin: Dadurch, dass wir die Möglichkeit haben, uns über SMS, Messenger und Co. zu unterhalten, können wir uns auch genau überlegen, was wir sagen wollen und ob das, was wir sagen wollen, auch richtig ankommt. Nun haben wir alle Zeit der Welt und werden nicht durch unseren Gegenüber eingeschüchtert, schließlich könnten wir ja auch heute viel zu beschäftigt sein, um zu antworten. Es wird auch alles gut nachverfolgbar dokumentiert, damit wir es immer wieder nachlesen und analysieren können.

Kommunizieren wir also noch richtig heutzutage? Unsere Möglichkeiten sind schließlich gestiegen, genauso wie die Anzahl unserer Freunde, aber ist das wirklich ein Indikator für die richtige Art und Weise zu kommunizieren? Vielleicht erzwingen ja die heutigen Möglichkeiten, dass wir unser Verständnis von Freundschaft und Kommunikation überdenken und uns diesen Gegebenheiten anpassen.

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