Auf dieser Welt geschehen so viele schlimme Dinge, dass wir
niemals die Menschen vergessen dürfen, die diese Welt zu einer besseren gemacht
haben. Denn wer nur die schlechten Dinge auf dieser Welt sieht, verliert die
Freude am Leben, denn lohnt es sich wirklich in einer schlechten Welt zu leben?
Immer werde ich die guten Dinge auf dieser Welt sehen, ohne
die Schlechten jedoch zu vergessen oder zu ignorieren. Und niemals werde ich
den Mann vergessen, der meine Welt gerettet hat. Wie kam es dazu? Ich begriff
es selbst lange nicht, jedoch wird man mit dem Alter weise und so begann ich
nach einigen Jahren doch zu verstehen, was dieser Mann mir damals sagen wollte.
Und dies ist unsere Geschichte.
Ich war noch ein Kind gewesen, auch wenn ich es mit meinen
sechzehn Jahren noch nicht glauben konnte, denn in diesem Alter wird niemand
gern als Kind bezeichnet. Man kann sich einfach nicht eingestehen, dass man
eigentlich noch ein Kind ist, welches eher zufällig als „erwachsen“ bezeichnet
wird. Und genauso jemand war ich. Mein Leben hatte quasi erst jetzt richtig
begonnen und ich fühlte mich frei und vor Energie strotzend, denn ich hatte so
viele Träume, so viele Pläne. Natürlich nutzte ich diese Freiheit und saß
abends stundenlang mit meinen Freunden im Café. Wir erzählten und lachten viel,
lästerten über Mädchen und tranken ein paar Gläser Cola. Oft blieben wir, bis
die Kellnerin uns darauf aufmerksam machte, dass das Café jetzt schließen
wolle. Irgendwann fiel mir auf, dass immer kurz vor Ladenschluss ein älterer
Mann herein kam und fast alles kaufte, was noch übrig war. Jedes Mal ging er
mit drei bis vier vollen Beuteln wieder heraus. Dies war eindeutig zu viel, um
es allein zu essen, also nahm ich an, dass er eine sehr große Familie hatte. Irgendwann
kam mir das alles jedoch nicht mehr merkwürdig vor und ich begann, nicht weiter
über diesen Mann nachzudenken. Eines Abends jedoch ergab es sich, dass ich
ungefähr zur gleichen Zeit wie der ältere Mann das Café verließ, da ich etwas
früher heim gehen wollte, um einmal pünktlich zum Abendessen Zuhause zu sein.
Der ältere Mann und ich gingen in die gleiche Richtung bis ihm plötzlich einer
der Beutel riss und ein paar Brötchen herauskullerten. Sehr bedrückt drehte der
Mann sich um und ehe er sich bücken konnte, hatte ich schon fast alle Brötchen
wieder aufgesammelt. Dankbar schaute der Mann mich an, dann übergab er mir den
kaputten Beutel und bat mich, die Brötchen wieder hineinzutun und ihm zu
helfen. Also trug ich den Beutel vorsichtig und hielt ihn dort zu, wo er
gerissen war. Wir gingen in ein sehr armes und heruntergekommenes Viertel der
Stadt, wo der Mann jedes Mal, wenn er einen Obdachlosen sah, stehen blieb und
ihm etwas aus den Beuteln gab. Dankbar schauten diese Leute uns an, manche
hatten sogar Tränen in den Augen, Andere segneten uns oder unterhielten sich
mit dem Mann, als würden sie ihn schon ewig kennen. Ich jedoch verstand die
ganze Sache nicht.
„Warum geben sie all ihre Lebensmittel weg?“, fragte ich
ihn.
„Weil ich selbst genug besitze.“, antwortete er.
„Das heißt, sie kommen jeden Abend in das Café um Essen für
Andere zu kaufen?“
„Ja, weißt du denn nicht, was sonst mit diesen Lebensmitteln
passieren würde? Sie würden weggeschmissen werden und das, obwohl es auf dieser
Welt genug Menschen gibt, welche tagtäglich Hunger leiden. Ich finde es einfach
nur paradox, denn es gäbe eine so einfache Lösung dafür. Aber man wirft diese
Dinge lieber weg, da sie keinen Gewinn mehr bringen und man sie am nächsten Tag
nicht mehr verkaufen kann, als dass man sie armen Menschen gibt“, meinte der
ältere Mann.
„Aber sie geben dann jeden Tag eine große Menge an Geld aus
und bekommen nichts dafür zurück.“
„Doch ich bekomme viel mehr zurück, als ich überhaupt geben
konnte. Ich bekomme ein Lächeln, ich bekomme Freudentränen, Dankbarkeit und das
Wissen, dass ich so viel verändere, wie nur wenige Menschen es in ihrem Leben
tun.“
Wieder wurde ich skeptisch. „Was verändern Sie denn? Sie
geben diesen Menschen zwar etwas zu Essen, aber dadurch ist doch nicht
gesichert, dass sie immer satt sein werden. Was passiert, wenn Sie einmal nicht
mehr sind? Dann leiden diese Menschen wieder Hunger.“
„Da hast du recht. Ich lehre diese Menschen dadurch nicht,
wie sie sich selbstständig täglich ernähren können und auf eigenen Füßen stehen
können, aber ich zeige ihnen, dass diese Welt gar nicht so schlecht ist, wie
sie vielleicht denken. Ich gebe ihnen einen Funken Hoffnung und die
Möglichkeit, einen weiteren Tag satt einzuschlafen. Und ich verändere auch
dich, ohne dass du es vielleicht merkst.“, erklärte er und warf mir einen
freundlichen Blick zu, der mir verriet, dass dieser Mensch vollkommen glücklich
war.
Ich war verwirrt. Wie sollte dieser Mann mich verändert haben? Die ganze
Nacht dachte ich darüber nach und auch noch viele weitere Nächte. Ständig
dachte ich an diesen Mann, bis ich eines Tages beschloss, dem Mann wieder dabei
zu helfen, das Brot zu verteilen. Fast jeden Abend begleitete ich diesen Mann
nun bei seinem abendlichen Gang in ein armes Viertel und wir wurden bald sehr gute
Freunde. Irgendwann begann ich, diesen Mann zu verstehen. Jeden Abend gab
dieser Mann sehr viel Geld aus, vielleicht sogar gerade einmal so viel, wie er
überhaupt an diesem Tag verdient hatte und kam doch als reicher und glücklicher
Mann nachhause. Er hatte die Welt so vieler Menschen gerettet und die Welt ein
kleines Stück mehr zu einer besseren gemacht, denn er war auch ein Vorbild für
viele Menschen. Auch ich durfte dieses Gefühl oft erleben und musste
feststellen, dass der alte Mann recht gehabt hatte, als er sagte, dass er mich
verändert hatte, denn auch heute noch kann man einen Mann mit Beuteln voller
Lebensmitteln auf dem Weg in die ärmsten Viertel der Stadt sehen, nur ist es
heute nicht mehr der alte Mann meiner Jugend. Ich selbst bin es.© Jennifer Ander
Eine sehr schöne Geschichte. Ein ernstzunehmendes Problem in einer "kuschligen" Verpackung versteckt.
AntwortenLöschenFind ich sehr gut!
Liebe Grüße
Franzi